Kraftwerk1 konnte an der Regensdorferstrasse 190 und 194 in Zürich Höngg zwei identische ehemalige Wohnhäuser der Stiftung Zürcher Kinder- und Jugendheime kaufen und das Grundstück im Baurecht übernehmen. Die Gebäude aus den 1970er-Jahren waren renovationsbedürftig, die Grundrisse mit vielen kleinen Zimmern eigneten sich aber für gemeinschaftliche Grosswohnformen. 2008 schrieb Kraftwerk1 unter fünf Zürcher Architekturbüros einen Studienauftrag aus. Er sollte Varianten für die Verdichtung und den Umbau in ein genossenschaftliches Wohnprojekt aufzeigen. Adrian Streich gewann den Wettbewerb mit seinem Beitrag «Terrasse commune». Er schlug vor, die beiden Häuser durch einen Neubauteil mit vorgelagerten Terrassen zu verbinden.
«Terrasse commune»
Der Neubau überragt die bestehenden Häuser um zwei Geschosse und verleiht der Anlage eine markante neue Identität. Die Terrasse commune ist das Kernstück der Siedlung, sie verbindet den Neubau mit den bestehenden Häusern. Die Abfolge von Aussenräumen beginnt im Erdgeschoss und zieht sich an allen Wohnungen vorbei bis aufs Dach: Weite Terrassen und versteckte Winkel mit Aussicht über die Stadt, ins Limmattal oder auf den nahen Waldrand laden zum Spielen, Essen und Verweilen ein. Die gemeinschaftlich genutzte Terrasse ist Treffpunkt für die Bewohner:innen. Weil sie nicht als Fluchtweg gilt, ist sie frei möblierbar.
Mit dem Quartier verbunden
Die Architektur schafft aber auch Beziehungen nach aussen: Der öffentliche Vorplatz mit Brunnen und Ahornbaum tritt wie ein Balkon in Kontakt mit dem darunter liegenden Strassenraum. Vom Platz aus führt ein Durchgang unter dem Gebäude hindurch auf eine Wiese, wo Wildblumen und Obstbäume wachsen. Der Übergang zum Wohn- und Tageszentrum Heizenholz für Kinder und Jugendliche ist fliessend, die Aussenräume werden gemeinsam genutzt.
Cluster-Wohnung als Neuheit
26 Wohnungen gibt es in der Siedlung Heizenholz, von der Einzimmerwohnung bis zur Grosswohnung mit 330 Quadratmetern Wohnfläche, daneben drei Ateliers und zwei Gemeinschaftsräume. Die «Suiten» genannten Grosshaushalte aus der Siedlung Hardturm wurden im Heizenholz zu «Cluster-Wohnungen» weiterentwickelt. Darin sind mehrere mit Teeküche und Sanitärzelle ausgestattete Individualzimmer um grosszügige Gemeinschaftsflächen mit Küche, Bad und Wohnräumen gruppiert. Küchen und Wohnzimmer öffnen sich zur Terrasse commune, die Schlafzimmer liegen auf der ruhigen Waldseite. Im Prinzip handelt es sich um eine Luxusvariante der WG, die auch ältere Menschen oder Alleinerziehende anspricht.
Für alle Lebensphasen
Seit Februar 2012 wohnen rund 85 Personen im Heizenholz. Das Mehrgenerationenhaus berücksichtigt speziell Bedürfnisse von Menschen ab 55 Jahren. Es erfüllt die gesetzlichen Vorgaben für hindernisfreies Bauen, und die Wohnungen sind altersgerecht bzw. altersgerecht anpassbar. Doch die Vielfalt der Wohnungen führte zu einer guten Altersdurchmischung. Zwei Wohnungen wurden der Stiftung Domicil zur Verfügung gestellt.
Ökologisch bauen – nachhaltig Leben
Nebst einer energieeffizienten Bauweise schafft die Siedlung Heizenholz Rahmenbedingungen für eine ökologische Lebensweise: Der Flächenbedarf pro Person beträgt durchschnittlich 36 Quadratmeter (Stadt Zürich: ca. 40, Schweiz: ca. 50). Es gibt keine Tiefgarage und kaum Parkplätze, dafür aber ein umfassendes Angebot für umweltschonende Mobilität und eine grosszügige Velogarage mit direkter Zufahrt von der Strasse her. Dass die bestehenden Häuser nicht ersetzt wurden, hat viel Graue Energie gespart. Das Haus ist Minergie-zertifiziert und nach Minergie-Eco-Standard gebaut. Eine Abluftwärmepumpe mit Nachströmöffnungen in der Fassade erwärmt das Wasser und unterstützt die Heizung. Der Strom für die Wärmepumpe kommt aus der Photovoltaikanlage. Es wurden baubiologische und Ressourcen schonende Materialien und Geräte eingebaut. Eine Regenwasserzisterne speist die Terrasse commune mit Giesswasser.
Von Anfang an mitgestalten
Interessierte Genossenschafter:innen konnten sich bei der Planung einbringen. Bis zu 50 Personen arbeiteten engagiert am Konzept und an der Umsetzung mit. Mit einer sorgfältigen Projektorganisation – zwei Vertreter:innen der Arbeitsgruppe hatten Einsitz in der Planungskommission – konnten alle Anliegen zum richtigen Zeitpunkt diskutiert werden. Viele setzten sich so mit der eigenen Wohnsituation auseinander und lernten ihre künftigen Nachbar:innen kennen. Die Genossenschaft profitierte von vielen guten Inputs, der grossen Identifikation der Mieter:innen mit ihrem Haus und der breiten Abstützung von Entscheiden. Die Mitsprache blieb bewusst auf soziale Aspekte beschränkt: neue Wohnformen, Wohnungsmix, Durchmischung, Gemeinschaftsflächen, Mobilität, Aussenraum. Hingegen wurden Farben, Materialien und Ausbaustandard zwar zur Diskussion gestellt, aber die Entscheide darüber blieben den Architekten und der Planungskommission überlassen, nicht zuletzt, um Freiräume für unkonventionelle Lösungen zu schaffen.
Für Haus und Quartier
Im Erdgeschoss bietet ein Gemeinschaftsraum mit Küche Platz für Hausversammlungen, Feste und den Kochclub Circolo. Im Keller befinden sich ein Konsumdepot, ein gemeinsam genutzter Übungsraum und eine Werkstatt. Die Bewohner:innen organisieren ihr Zusammenleben selbst in verschiedenen Arbeits- und Betriebsgruppen und pflegen die Gemeinschaftsräume und den Garten gemeinsam. Das fördert nachbarschaftliche Kontakte – auch über die Siedlung hinaus: Im Ortoloco-Depot und im Gartenverein sind auch Quartierbewohner:innen willkommen.