Die Lage ist idyllisch und «verzwickt» zugleich: Historische Industriebauten verströmen den Charme der Vergangenheit. Nischen am renaturierten Chriesbach bieten Naherholung, sowie dem Biber und Eisvogel ein Zuhause. Daneben die verkehrsreichen Strassen sowie der Bahnviadukt, sie bilden eine Lärmkulisse als wäre man mitten in der Stadt.
Ab 1840 fabrizierte hier die Spinnerei Zwicky Nähfaden und Webgarne, bis das Familienunternehmen die Produktion 2001 ins Ausland verlegte. Zurück blieben eine alte Fabrik und 24 Hektaren Land. Die Erbengemeinschaft Zwicky liess 2002 verlauten, auf dem Gelände solle ein Stadtteil nach dem Prinzip der gemischten Nutzung entstehen. Die historischen Fabrikbauten mit Kosthäusern, Villa und Gutsbetrieb sollten als Zeitzeugen erhalten bleiben. Inzwischen boomt die Region: In Opfikon, Wallisellen und Dübendorf werden bis 2030 zusätzliche 120'000 Bewohner:innen und 120'000 Arbeitsplätze erwartet. Die Agglomeration wird zur Glatttalstadt.
Schnell in der Stadt, schnell auf dem Land
Das Zwicky-Areal ist hervorragend erschlossen: Die Glatttalbahn-Linie 12 führt in zwei Minuten ins Glattzentrum, in vier Minuten zum S-Bahnhof Stettbach, von wo man das Zentrum von Zürich in einer Viertelstunde erreicht. Fernreisende gelangen an den Flughafen, ohne Umsteigen. Wer motorisiert unterwegs ist, ist in zwei Minuten auf der A1. Die Naherholungsräume Burenwald und Greifensee liegen in Velodistanz und die Ufer der Glatt sollen mit dem Projekt «Fil bleu» attraktiver werden. Auf den umliegenden Baufeldern entstanden weitere Wohnüberbauungen, mit Grossverteiler, Läden, Ateliers, Cafés oder Büros.
Partnerin für den anspruchsvollen Standort
Für die Areal-Entwicklung zog die Zwicky-Erbgemeinschaft Immobilienentwicklerin Senn und das Beratungsunternehmen Wüest & Partner bei. Rasch war klar, das Areal verlangte nach starken Ideen und Kraftwerk1 wurde angefragt. Die Genossenschaft hatte bereits Erfahrung mit anspruchsvollen Lagen: Der Standort der ersten Kraftwerk1-Siedlung «Hardturm» in Zürich West war damals zu Gründungszeiten keine besonders attraktive Lage. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass dort ein lebenswerter Ort entstehen kann.
2009 wurde ein Studienauftrag mit fünf Teams veranstaltet; das Architekturbüro Schneider Studer Primas gewann das Projekt. Die geplanten Gebäude wurde aufgeteilt: Neben der Kraftwerk1-Siedlung ging ein Teil an Pensimo, ein Unternehmen, das für grosse Pensionskassen das Immobiliengeschäft führt. Ein weiteres ging an Swisslife. Kraftwerk1 besitzt drei der insgesamt sechs Häuser
Raffinierte Gebäude
Schneider Studer Primas reagierten auf die komplexen Rahmenbedingungen mit drei Gebäudetypen: «Scheibe», «Block» und «Halle». Die schmalen «Scheiben» mit langen Terrassen und Laubengängen stehen wie Lärmschutzwände in Richtung der lärmbelasteten Strassen. Sie erinnern in ihrer Erscheinung an Hotelbauten. Sie sind unterteilt in Locandazimmer, Zweizimmerwohnungen, Ateliers oder Familienmaisonetten und bilden einen Kranz um das Gelände. Darin stehen zwei massige «Blöcke», sie beherbergen Gewerbebetriebe und Wohnungen. Die «Hallen» sind als grosse zusammenhängende Flächen und an die «Scheiben» herangeschoben. Darin wird produziert, gelagert, ausgestellt und verkauft, oben darüber liegen Terrassen. Spannend sind die drei Typologien in ihrer Kombination: Die «Scheiben» schützen die «Blöcke» vor Lärm. Die Blöcke bringen Kompaktheit, Energieeffizienz und soziale Dichte in die Siedlung. Und die «Hallen» aktivieren die Erdgeschosse und bringen urbane Vielfalt in die Agglomeration.
Experimentell Wohnen
Vielfältige Wohnungstypen sorgen für eine soziale und altersmässige Durchmischung. In die Grosswohnungen flossen Erfahrungen aus den ersten beiden Kraftwerk1-Siedlungen ein: Die Wohnungen verfügen über einerseits normale Zimmer und andererseits über Clustereinheiten mit verschieden grossen und unterschiedlich ausgestatteten Individualbereichen. Einen Schwerpunkt bilden betreute Wohnformen. Kraftwerk1 stellt Wohnangebote für Menschen, die auf Betreuung angewiesen sind zur Verfügung und arbeitet unter anderem mit der Stiftung Altried zusammen. Zudem wird das Konzept von «Wohnen und Arbeiten» auch in dieser Siedlung verfolgt.
Lebendiges Erdgeschoss
Dass eine Wohnbaugenossenschaft Gewerberäume baut, ist noch nicht selbstverständlich. Im Zwicky-Areal ist dies jedoch zwingender Teil der Siedlungsidee: Das Gewerbe sorgt für Nahversorgung, Kultur und öffentliches Leben –Angebote, die in dieser Gegend grösstenteils fehlen. Etwa 3500 Quadratmeter Nutzfläche plus Lager stehen Gewerbebetrieben zur Verfügung. Ein vielfältiger Gewerbemix hat sich zum Werkplatz Zwicky zusammengeschlossen und trägt zur Belebung und Grundversorgung des Quartiers bei.
Nachhaltig bauen und leben
Die Überbauung ist nach Minergie-Eco erstellt worden; für den Energieverbrauch ist der Minergie-P-Standard massgebend. Die Wärme wird als Fernwärme mittels Wärmepumpe aus gereinigtem Abwasser bezogen (kalte Fernwärme). Den Strom für die Haushalte und das Gewerbe liefert Solarenergie. Umweltverträgliche, dauerhafte Baumaterialien kamen zum Einsatz, und es wurde möglichst wenig graue Energie verbraucht. Die Gesamtenergiebilanz erfüllt die Zielwerte der 2000-Watt-Gesellschaft. Der individuelle Flächenverbrauch pro Person ist zugunsten von Gemeinschaftsräumen reduziert und beträgt rund 34m2/Person. Die Siedlung ist «autoarm», den Bewohner:innen stehen Mobility-Autos zur Verfügung und es gibt eine grosszügige, zentrale Veloplattform.
Mitplanen und Weiterbauen
Bereits bei der Planung hat Kraftwerk1 künftige Mieter:innen miteinbezogen. An Konferenzen erarbeiteten und konkretisierten sie Ideen zu Nutzungen, Wohnformen, Ökologie oder Ausbaustandards. Dabei wurden Erfahrungen aus früheren Projekten genutzt. Gebaut wurde ein neues städtisches Quartier in Rohform: Gebäude und Aussenraum sind bewusst rau und roh, die Ausstattung minimal – die Bewohner:innen eignen sie sich an und beleben und begrünen sie.